Impuls & Austausch zu den Auswirkungen der GAP bei uns und im globalen Süden

Echte Reform oder grüner Anstrich? Gemeinsame Europäische Agrarpolitik (GAP) auf dem Prüfstand

Ein Bericht von Lea Kleymann (BEI)

Zur dritten Online-Veranstaltung im Modul Landwirtschaft hatten sich am 30.11.2020 über 35 Interessierte bei Zoom zusammengefunden, um über die geplante Neuausrichtung der Gemeinsamen Agrarpolitik (kurz GAP)¹ der EU nach 2020 zu diskutieren. Mit insgesamt vier Gästen war eine breite Vertretung von Interessensgruppen anwesend, sodass nach einem kurzen Impuls von Herrn Walter von Brot für die Welt noch viel Zeit für eine spannende Diskussion blieb. Zu den Gästen zählten Herr Brändle (Referent für Agrarpolitik bei Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft), Herr Stapelfeldt (Landwirt und Vertreter des Bauernverbands SH) und Herr Terwitte (Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung).

Die GAP scheint vermeintlich auf Europa beschränkt zu sein, der Blick über den Tellerrand ist jedoch nötig und die Auswirkungen der GAP auf Märkte und dadurch auch Länder des globalen Südens meist verheerend. Die Europäische Agrarpolitik, die aus Gedanken der Einheit des Marktes, Gemeinschaftspräferenz und finanzieller Solidarität² in den 60er Jahren gegründet wurde, misst mit zweierlei Maß. Die heimische Landwirtschaft soll geschützt und gleichzeitig schwache Märkte in Ländern des globalen Südens geöffnet werden. Neue Absatzmärkte werden erschlossen und die eigene Überproduktion gewinnbringend exportiert. Der Anspruch, Märkte in Ländern des globalen Südens zu schützen, besteht nicht. Aus entwicklungspolitischer Sicht ist dies höchst unsolidarisch und eine Korrektur innerhalb der Agrarpolitik der EU somit unumgänglich. Ein „Weiter so“, in dem der eigene Profit das Handeln bestimmt, ist nicht mit den Zielen der Agenda 2030 (Sustainable Development Goals) zu vereinen.

Aus der nationalen Perspektive sind zudem viele Änderungen erstrebenswert. Die momentanen flächengebundenen Verteilungen der Direktzahlungen scheint höchst ineffizient. So bekommen 20% der Landwirt:innen 80% der Gelder aus dem Agrartopf. Das heißt, wer großen Landbesitz vereint, der bekommt auch eine Menge Geld (ohne spezielle Konditionen). Derweil verdienen Landwirt:innen weniger als der deutsche Durchschnitt, sind hohen Belastungen ausgesetzt und müssen immer neuen Verordnungen nachkommen. Landwirt:innen stehen unter hohem Druck, rentabel zu wirtschaften und dabei nicht das Tierwohl sowie den Umwelt- und Biodiversitätsschutz aus den Augen zu verlieren. Für diese „Sonderleistungen“, die Ressourcen wie Zeit und Geld erfordern, werden Landwirt:innen in der Regel wenig bis gar nicht bezahlt. Die Agrarstruktur, die die Kulturlandschaft auch in Schleswig-Holstein beeinflusst, muss als ein gesamtgesellschaftliches Gut angesehen werden, das durch öffentliche Gelder finanziert wird. Marktwirtschaftliche Instrumente gibt es, wie z.B. den Emissionshandel von CO2-Zertifikaten.³

Die Novellierung der GAP nach 2020 (eher nach 2023, denn es wird eine Übergangsperiode geben) sieht nur kleine Veränderungen vor. So werden die „Greenings“ durch die „Eco-Schemes“ ersetzt und es soll eine Kappung der Direktzahlungen erfolgen, die jedoch auf Freiwilligkeit beruht. Die EU-Nachhaltigkeitsziele, die in der Farm-to-Fork-Strategie (veröffentlicht im Mai 2020) noch großzügig behandelt und aufgenommen wurden, werden außer Acht gelassen. Die Neuausrichtung der GAP scheint daher eher ein grüner Anstrich, als eine echte Reform zu sein.

Wie sieht nun die Zukunft aus? Deutschland und auch Schleswig-Holstein sollten aus dem Spiel der Freien Märkte lernen. Liegt die Zukunft möglicherweise in einer Qualitätsproduktion, denn der Weg der möglichst kostengünstigen Massenproduktion führt uns nicht ins Nirwana. Das große Thema der Agrarpolitik in der EU ist sehr komplex, reißt viele Themen an und kann nicht so einfach durchdekliniert werden.

Fest steht auch, dass über kurz oder lang ein Umdenken nötig ist. Die Verantwortung liegt nicht einseitig bei den Produzent:innen, sondern auch bei den Konsument:innen und beim  Lebensmitteleinzelhandel. Wir alle sind alle Teil des Systems und können Statements mit unserem täglichen Konsum setzen. Das alleine reicht jedoch nicht aus, wir brauchen Richtlinien in Form politischer Entscheidungen, sodass spätestens zu Beginn der nächsten GAP-Reform (2027) grundlegende Änderungen auf den Weg gebracht werden können, die Landwirt:innen entlasten, soziale Gerechtigkeit in der Landwirtschaft umsetzt und ein gemeinschaftliches globales System schafft, dass nicht mehr auf dem Rücken des globalen Südens wirtschaftet. Mit Blick auf die globalen Nachhaltigkeitsziele (SDG), ihre Zielerreichung bis 2030 und der enormen Relevanz des Themas innerhalb der Agenda könnte eine echte Reform bis dahinallerdings schon zu spät kommen.

 

¹ https://www.bmel.de/DE/themen/landwirtschaft/eu-agrarpolitik-und-foerderung/gap/gap-nationale-umsetzung.html [Stand 04.12.2020]

² https://www.bmel.de/DE/themen/landwirtschaft/eu-agrarpolitik-und-foerderung/gap/gap-geschichte.html [04.12.2020]

³ https://www.bmu.de/themen/klima-energie/klimaschutz/emissionshandel/ [Stand 04.12.2020]

Veranstalter:
Bündnis Eine Welt Schleswig-Holstein e.V. (BEI), Brot für die Welt im Diakonischen Werk Schleswig-Holstein

Die Veranstaltung war Teil des  SDG-Jahresthemenprogrammes „Die Sustainable Development Goals (SDG) in Schleswig-Holstein – Nachhaltigkeit auf dem Prüfstand“ des BEI, in Kooperation mit Brot für die Welt im Diakonischen Werk Schleswig-Holstein, gefördert durch Engagement Global mit fi nanzieller Unterstützung des BMZ, BINGO! Die Umweltlotterie, den Katholischen Fond
sowie den kirchlichen Entwicklungsdienst der Nordkirche (KED).

 

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