Filmvorführung, Impuls & Diskussion

Das System globaler Milchproduktion – Überschüsse.Unmut.Ungerechtigkeiten

Ein Bericht von Lea Kleymann (BEI)

Die erste Doppelveranstaltung des Landwirtschaftsmoduls von Bündnis Eine Welt Schleswig-Holstein e.V. (BEI) in Zusammenarbeit mit Brot für die Welt im Diakonischen Werk Schleswig-Holstein fand vergangene Woche zum Thema des Systems der globalen Milchproduktion statt. Gezeigt wurde zunächst am 09.03.2021 der Dokumentarfilm „Das System Milch“ von Regisseur Andreas Pichler. Daran anschließend fand am 11.03.2021 eine Diskussionsrunde zum Thema statt. Beide Veranstaltungen wurden von jeweils knapp 40 Teilnehmer:innen besucht.

Der Film „Das System Milch“ zeigt eindrucksvoll, wie die Struktur der Produktion des Lebensmittels Milch aufgebaut ist und welche Akteur:innen eine Schlüsselrolle in der Lebensmittelwertschöpfungskette einnehmen. Nach dem Film wurde den Teilnehmenden Raum gegeben, Fragen zu stellen und Anregungen zu teilen. Anne Hamster, Fachreferentin für Rinder bei PROVIEH e.V., hat die Veranstaltung begleitet, um Fragen zu beantworten und über neuste Entwicklungen aufzuklären. Im Film und auch im anschließenden Gespräch wurde deutlich, dass die Produktion und Verarbeitung des Lebensmittels „Milch“ einem unfairen Machtgefälle zulasten der einheimischen Landwirt:innen folgt. Der Bezug und die Auswirkungen auf Märkte in Ländern des Globalen Südens sind verheerend. Die Kuh, eigentlich Mittel- und Drehpunkt der Milchproduktion, verkommt zur Ware und das Wohlergehen des Tiers spielt nur eine Nebenrolle in vielen Köpfen von Akteur:innen der Lebensmittelwertschöpfungskette.

Zwei Tage später griffen BEI und Brot für die Welt SH das Thema erneut auf. In einer Diskussionsrunde, die von Nelly Grotefendt von Forum Umwelt und Entwicklung moderiert wurde, nahmen Johannes Tams von der Bauerngemeinschaft Hamfelder Hof, Klaus-Peter Lucht vom Bauernverband SH, Frank Koschinski vom MELUND und Francisco Mari von Brot für die Welt teil.

Die Auswirkungen der deutschen Milchproduktion auf außereuropäische Märkte vor allem in Ländern des Globalen Südens ist äußerst bedenklich. So plädieren Landwirt:innen in Europa, Deutschland und Schleswig-Holstein für die Öffnung anderer Märkte, um die heimische Überproduktion zu verwerten und Profite zu generieren. Andererseits ist der Zugang zum europäischen Markt für Länder des Globalen Südens schwer zu erlangen. Auch wenn „ärmste“ Länder zollfreien Zugang zum europäischen Markt haben, sind die jeweiligen Standards und Normen für Produkte in der EU extrem hoch. Darüber hinaus verdrängt unser Export von Milchprodukten in Ländern des Globalen Südens lokale Produkte und zerstört dort einheimische Märkte bzw. verhindert deren Etablierung. Wie kann diese Doppelmoral überhaupt möglich sein, wenn der deutsche Milchsektor - höchst abhängig von Subventionen – von sich behauptet auf Qualität und nicht auf Quantität zu produzieren?

Landwirt:innen sehen hier ganz klar die Politik, den Lebensmitteleinzelhandel und die Molkereien in der Verantwortung. Die Macht dieser einzelnen Akteur:innen ist beträchtlich und sollte durch politische Instrumente geschmälert werden. Andere Möglichkeiten sich dem Markt zu entziehen und eine Handlungsfreiheit zu erlangen, kann der Eintritt in einer Bauerngemeinschaft sein. Solidarität, ressourcenschonende Bewirtschaftung und Tierwohl zeichnen das Konzept der hier vorgestellten Bauerngemeinschaft Hamfelder Hof aus. Der allgemeine Appell an Verbraucher:innen besteht weiterhin, nicht immer nur das günstigste Lebensmittel zu konsumieren, sondern für Qualität auch einen höheren Preis zu zahlen.

Nicht nur der Milchsektor steht vor großen Problemen. Die Landwirtschaft verliert den Bezug zur Gesellschaft, produziert zu fragwürdigen Konditionen und steht mitten im Strukturwandel. Die Borchert-Kommission[i] und das Überdenken der Direktzahlungen der GAP (Gemeinsamen Agrarpolitik der EU) können große politische Treiber in die richtige Richtung sein. Wie diese beiden Instrumente umgesetzt werden, wird sich in diesem Jahr zeigen. Die Milchbranche hat zudem die sog. „Initiative Milch“ ins Leben gerufen, um der Milch ein besseres Image zu verleihen.

Alle Initiativen und Handelspraktiken vernachlässigen jedoch den globalen Bezug. Vor dem Hintergrund der Agenda 2030 besteht dringender Handlungsbedarf, wenn die Ziele in den nächsten neun Jahren noch erreicht werden wollen. Das SDG2 „Den Hunger beenden, Ernährungssicherheit und eine bessere Ernährung erreichen und eine nachhaltige Landwirtschaft fördern“ findet zwar auch in dem SDG Statusbericht des Landes Erwähnung, aber noch sind an die Zielerreichung zu wenig Maßnahmen geknüpft. Was nun im Weiteren passiert, bleibt abzuwarten.

Wir danken allen Teilnehmenden und Diskutierenden für zwei sehr informative Veranstaltungen.

 

[i] BMEL - Nutztiere - Ergebnisse der Machbarkeitsstudie zu Vorschlägen der Borchert-Kommission liegen vor [16.03.2021]

Veranstalter:
Bündnis Eine Welt Schleswig-Holstein e.V. (BEI), Brot für die Welt im Diakonischen Werk Schleswig-Holstein

Die Veranstaltung war Teil des  SDG-Jahresthemenprogrammes „Die Sustainable Development Goals (SDG) in Schleswig-Holstein – Nachhaltigkeit auf dem Prüfstand“ des BEI, in Kooperation mit Brot für die Welt im Diakonischen Werk Schleswig-Holstein, gefördert durch Engagement Global mit fi nanzieller Unterstützung des BMZ, BINGO! Die Umweltlotterie, den Katholischen Fond
sowie den kirchlichen Entwicklungsdienst der Nordkirche (KED).

 

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