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Kommentar zur Vergaberechtsreform

Kommentar zum Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung der Vergabe öffentlicher Aufträge (Vergabebeschleunigungsgesetz)

Am Mittwoch, den 06. August 2025 hat das Bundeskabinett einen Gesetzesvorschlag beschlossen, der die noch unter der Ampel angestoßene Vergaberechtsreform wieder aufgreift. Die beabsichtigte Vereinfachung und Digitalisierung des öffentlichen Einkaufs sind sinnvolle Ziele. Um das Potenzial einer strategischen Beschaffung auszuschöpfen, braucht es jedoch auch verbindliche Vorgaben für Nachhaltigkeit und den Schutz von Menschenrechten im öffentlichen Einkauf. Darauf haben wir und andere Menschenrechts- und Umweltorganisationen immer wieder im Laufe der öffentlichen Konsultationen hingewiesen (1). Auch Unternehmen(sverbände), (Ober-)Bürgermeister*innen und Vergaberechtsexpert*innen hatten sich im vergangenen Jahr in einem gemeinsamen Appell dafür eingesetzt.

Wir begrüßen die im neuen Gesetzentwurf aufgenommenen Neuerungen zur Beschaffung von klimafreundlichen Leistungen (§ 113 GWB) und der Ergänzung, dass bei Markterkundungen (§ 28 (1) VgV) ausdrücklich die “Einbeziehung umweltbezogener und sozialer Aspekte sowie Aspekte der Qualität und Innovation” zulässig ist. Durch Markterkundungen können einerseits bereits nachhaltige Unternehmen identifiziert werden und von öffentlichen Aufträgen profitieren. Andererseits können die Erkundungen wichtige Signale an den Markt senden und dazu beitragen, dass sich Unternehmen auf nachhaltigere Praktiken umstellen.

Zur Förderung einer sozial-ökologischen öffentlichen Beschaffung reichen diese Maßnahmen allein jedoch nicht aus. Der im Vergabetransformationspaket im vergangenen Jahr neu aufgenommene Paragraf § 120a zur Berücksichtigung sozialer und umweltbezogener Aspekte hätte deutlich mehr Verbindlichkeit geschaffen und in der Praxis dazu beitragen können, eine nach-haltige öffentliche Beschaffung in die Breite zu tragen und eine Standardisierung und Vereinfachung voranzutreiben. Wir bedauern, dass dies im Vergabebeschleunigungsgesetz nun nicht mehr vorgesehen ist.

Um die Berücksichtigung von sozialen und ökologischen Kriterien bei der Beschaffung zu stärken, empfehlen wir zudem, in Anlehnung an die bestehende AVV Klima auf Bundesebene eine Allgemeine Verwaltungsvorschrift (AVV) zur nachhaltigen öffentlichen Beschaffung zu erlassen. Ein entsprechender Entwurf lag bereits im vergangenen Jahr vor und enthielt eine Liste von Produktgruppen, die sich besonders für eine nachhaltige Beschaffung eignen oder gänzlich von der öffentlichen Beschaffung auszuschließen sind. Diese praxisorientierte Maßnahme würde sowohl Vergabestellen als auch Bietenden mehr Rechtssicherheit und Orientierung geben und den Aufwand einzelner Vergabestellen reduzieren, eigene Regelungen oder Dienstanweisungen zu erarbeiten. Hierfür könnte die Verordnungsermächtigung in § 113 GWB so erweitert werden, dass sie neben Regelungen zu klimafreundlichen Beschaffungen auch solche für eine sozial und ökologisch Beschaffung einschließt.

In der Erhöhung der Abfrageschwelle im Wettbewerbsregister von bisher 30.0000 Euro auf 50.000 Euro (§ 6a WRegG) sehen wir ein falsches Signal. Es schwächt den präventiven Charakter des Registers und erschwert den Ausschluss von Unternehmen, die gegen geltendes Recht verstoßen haben – etwa im Bereich von Ausbeutung oder Zwangsarbeit.

Auch die geplante Schwellenwerterhöhung in der VergStatVO (§ 2 Abs. 2 Nr. 1) reduziert den Aufwand kaum, würde die Aussagekraft der erhobenen Daten jedoch erheblich mindern.

Wir rufen die Regierungsfraktionen dazu auf, in der nun folgenden parlamentarischen Beratung Nachbesserungen vorzunehmen und damit auch ein klares Signal mit Blick auf die Reform der europäischen Vergaberichtlinie und der angekündigten Neufassung der Unterschwellenvergabeordnung zu senden.
Ambitionierte Kommunen, Landes- und Bundesverwaltungen haben in der Vergangenheit im Rahmen von (Pilot-)Projekten anspruchsvolle Standards in der Beschaffung gesetzt. In Bieterdialogen konnten gemeinsam mit Unternehmen Wege zur (schrittweisen) Umsetzung von Sozialstandards in globalen Lieferketten gefunden werden. Die öffentliche Beschaffung ist ein wichtiger Hebel, um den Markt weiterzuentwickeln. Dieser ermöglicht inzwischen bei vielen Produkten die Berücksichtigung von Menschenrechten, insbesondere der ILO-Kernarbeitsnormen, sowie von Kriterien des fairen Handel. Nun gilt es, diese Entwicklung in einfache, standardisierte Vergabeverfahren in die Breite zu tragen und so einen fairen Wettbewerb für bietende Unternehmen zu schaffen.

Für Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung.

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(1) BEI-Stellungnahme 14.02.2023 im Rahmen der öffentlichen Konsultation zur Vergabetransformation; Zivilgesellschaftliches Forderungspapier zur Reform des Vergaberechts (11/2023), Forderungen zu sensiblen Produktgruppen in der Vergaberechtsreform (01/2024).

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