Als entwicklungspolitischer Dachverband schleswig-holsteinischer Organisationen und Initiativen arbeiten wir in vier übergreifenden Themenfeldern:

  • Globales Lernen
  • Globale Partnerschaften
  • Nachhaltige Entwicklung
  • Zukunftsfähiges Wirtschaften

Zu allen vier Themenbereich haben wir ein Positionspapier entwickelt. Die vier Positionspapiere konkretisieren unsere Leitbild. Im Nachfolgenden möchten wir diese vorstellen.

Positionspapiere

Positionspapier Globales Lernen

1. Hintergrund

„Globales Lernen ist Bildung, die Menschen dazu befähigt, die Welt und ihren Platz darin kritisch zu reflektieren; ihre Augen, Herzen und Gedanken für die Realität der Welt auf lokaler und globaler Ebene zu öffnen. Es befähigt die Menschen zu verstehen, sich vorzustellen, zu hoffen und zu handeln, um eine Welt der sozialen und klimatischen Gerechtigkeit, des Friedens, der Solidarität, der Gerechtigkeit und Gleichheit, der planetaren Nachhaltigkeit und der Völkerverständigung zu schaffen. Es beinhaltet die Achtung der Menschenrechte und Vielfalt, Inklusion und ein menschenwürdiges Leben für alle, jetzt und in Zukunft.“ vgl. Dublin Declaration on Global Education (November 2022)

Globales Lernen ist somit als pädagogische Antwort auf die Globalisierung unserer Lebensprozesse zu verstehen und entstand aus der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit heraus. Es stellt eine Verbindung zwischen weltumspannenden Zusammenhängen und dem eigenen Leben her und unterstützt dabei, sich in dieser komplexen Welt zurechtzufinden und sich aktiv für eine gerechtere Welt einzusetzen. Globale Lernprozesse manifestieren sich im Globalen Denken und Lokalen Handeln.
Globale Ungerechtigkeiten haben ihren Ursprung im Wesentlichen in kolonialen sowie imperialen Besitznahmen und den daraus hervorgegangenen Machtbeziehungen. Hierzu gehört auch die westliche Logik von Wirtschaftswachstum als Basis jeder gesellschaftlichen Entwicklung.

Diese Denkweise prägte lange Zeit alle gesellschaftlichen Bereiche und somit auch die öffentliche Erziehungs- und Bildungsarbeit. Daraus hat sich eine Lernkultur entwickelt, die überwiegend auf die ökonomische Verwertbarkeit und Leistungssteigerung abzielt. Neue Leitbilder und -ziele in der Bildungsarbeit sind insbesondere durch die Zivilgesellschaft mit dem Globalen Lernen forciert worden. In diesen Leitbildern kommt den Vermögenden und Leistungsstarken eine besondere Verantwortung für die Gesamtgesellschaft zu. Vor dem Hintergrund globaler ökologischer Bedrohungen, sozialer Verwerfungen sowie politischer Krisen und Kriege ergab und ergibt sich ein Handlungsbedarf. Globales Lernen, wie auch Bildung für Nachhaltige Entwicklung, BNE, bauen auf der Erkenntnis auf, dass die Zukunft nachhaltig gestaltet werden muss – zum Wohle aller Menschen und der Natur.

2. Unsere handlungsleitenden Positionen im Globalen Lernen

In bildungspolitischen Diskursen sowie bei der Umsetzung von Projekten und dem Setzen von Impulsen vertreten wir als BEI folgende Positionen im Globalen Lernen. Diese Ausführung ist als ein Schwerpunkt unseres Handelns zu verstehen. Wir stehen für eine transformative Haltung im Umgang mit diesen und potentiellen neue Schwerpunkten.

  • GL hat einen unverzichtbaren Stellenwert als Teil von non-formaler Bildung. Formate des GL stellen auch eine zivilgesellschaftliche Ergänzung und ein Korrektiv zur formalen Bildung dar. Es fördert das Üben von Engagement, die Übernahme von Verantwortung und die Demokratiekompetenz bei den Lernenden.
  • Bildungsarbeit im GL verfolgt den Anspruch, sich mit Themen im Dreiklang Erkennen - Bewerten - Handeln auseinanderzusetzen. Dazu gehört, die Möglichkeiten und die Reichweite des eigenen, des kollektiven und des politischen Handelns zu erkennen.
  • Wesentlich im GL ist die Fähigkeit, vielfältige Perspektiven einzunehmen und Empathie zu entwickeln. Dabei wird die Verschiedenartigkeit von Menschen, ihre Sichtweisen und Bedürfnisse, besonders beachtet.
  • GL erfordert eine interaktive Didaktik, welche Lebensweltbezüge herstellt und genügend Raum für Austausch und Meinungsbildung bietet. GL lebt von persönlichen Erfahrungen und Blickwinkeln der Menschen, die es vermitteln.
  • Angebote des GL müssen stets am Erfahrungsraum der jeweiligen Bildungszielgruppen anknüpfen. Insbesondere im Hinblick auf die Auseinandersetzung mit globalen Krisen gilt es, die Selbstwirksamkeit der Lernenden zu stärken und ihnen die Möglichkeit zu geben, globalen Widersprüchen und Herausforderungen mit einem konstruktiven und positiven Zukunftsblick zu begegnen („critical hope“).
  • Die zunehmende Multiperspektivität (Postmigrationsgesellschaft) der Teilnehmenden erfordert neue Herangehensweisen, um diese vielfältigen Blickwinkel in die Bildungsarbeit einzubinden.
  • GL erfordert stets eine de-koloniale, feministische und machtkritische Perspektive, weil es die Zusammenhänge zwischen Lebensumständen von Menschen weltweit und hegemonialen Herrschaftsstrukturen anerkennt. Die Frage, wie „weiß“ und eurozentristisch GL geprägt ist, spielt hierbei eine wichtige Rolle und ist regelmäßig zu stellen.
  • GL ist handlungsöffnend.


3. Unsere Forderungen für die Sicherung und Weiterentwicklung des Globalen Lernens

  • GL braucht zivilgesellschaftliche Akteur*innen. Es ist erforderlich, dass angemessene finanzielle Rahmenbedingungen bestehen, damit Strukturen und Vorhaben angemessen und kontinuierlich gesichert sind.
  • Die BNE-Strategie des Landes Schleswig-Holstein muss mit ambitionierten Zielsetzungen und klaren Indikatoren unterlegt werden. Sie muss stärker auf die politische Agenda gerückt und partizipativ mit den relevanten zivilgesellschaftlichen Akteur*innen wie dem BEI im Land vorangetrieben werden.

Positionspapier Globales Lernen (PDF)

Positionspapier Globales Lernen.pdf (223,2 KiB)

Positionspapier Globale Partnerschaften

1. Hintergrund

Die internationale Entwicklungszusammenarbeit im Sinne der nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) strebt eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen allen Ländern an, da jedes Land im Sinne der SDGs als Entwicklungsland betrachtet werden kann. Diese Zusammenarbeit zielt darauf ab, globale Gerechtigkeit, Chancengleichheit und Nachhaltigkeit zu fördern. Auf Landesebene tragen die Bundesländer die Verantwortung für die entwicklungspolitische Inlandsarbeit und die Förderung solcher Partnerschaften.

Im Juni 2014 starteten das „Bündnis Eine Welt Schleswig-Holstein e.V.“ (BEI), der Kirchliche Entwicklungsdienst der Nordkirche (KED) und der Städteverband Schleswig-Holstein, begleitet vom MELUR, einen Dialogprozess zur Erarbeitung entwicklungspolitischer Leitlinien für Schleswig-Holstein. Diese Leitlinien, die in einem partizipativen Prozess entstanden und von über 70 Vertreter*innen verschiedenster Institutionen und Organisationen getragen wurden, spiegeln die vielfältigen Perspektiven und Anforderungen einer gerechten globalen Zusammenarbeit wider. Sie umfassen zentrale Themen wie Wandel, Klimaziele, Landwirtschaft, Vielfalt, Verantwortung, Bildung und Partnerschaften.

Wir leben heute in einer politisch multipolaren Welt, in der Entscheidungen und Herausforderungen nicht mehr einseitig von bestimmten Akteuren gesteuert werden, sondern in der eine gerechte und partnerschaftliche Zusammenarbeit auf Augenhöhe zwischen verschiedenen Ländern und Regionen notwendig ist.

2. Globale Partnerschaften im Bündnis Eine Welt Schleswig-Holstein e.V.

Das "Bündnis Eine Welt Schleswig-Holstein e.V." (BEI) orientiert sich in seinem Konzept für Globale Partnerschaften an den Zielen der globalen Gerechtigkeit, wie sie in der Rio+20-Deklaration und den nachhaltigen Entwicklungszielen (SDGs) festgelegt sind. Globale Gerechtigkeit bedeutet, dass Ressourcen, Rechte und Chancen weltweit fair verteilt werden und dass eine gleichberechtigte, partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen allen Ländern stattfindet.
In einer zunehmend vernetzten und multipolaren Welt haben Entscheidungen in einem Teil der Welt oft weitreichende Auswirkungen auf andere Regionen. Globale Gerechtigkeit umfasst verschiedene Dimensionen sozialer Gerechtigkeit, darunter:

  • Verteilungsgerechtigkeit: Die faire Verteilung von Wohlstand, Ressourcen und Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen ist von entscheidender Bedeutung. Dies schließt die Bekämpfung von Armut und die Sicherstellung ein, dass alle Menschen ihre Grundbedürfnisse befriedigen können.
  • Chancengleichheit: Jeder Mensch, unabhängig von geografischem Standort, Geschlecht, Ethnie oder sozialem Status, muss gleiche Chancen auf Bildung, Gesundheitsversorgung und Beschäftigung haben.
  • Menschenrechte: Der Schutz und die Achtung universeller Menschenrechte sind essenziell. Dazu zählen die Rechte auf Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Sicherheit und ein faires Verfahren.
  • Umweltgerechtigkeit: Der Klimawandel und die Umweltzerstörung betreffen insbesondere benachteiligte Gruppen. Globale Gerechtigkeit fordert einen nachhaltigen Umgang mit natürlichen Ressourcen und den Schutz der Umwelt für künftige Generationen.
  • Politische Partizipation: Alle Menschen müssen das Recht haben, an politischen Entscheidungen, die ihr Leben betreffen, teilzuhaben. Gute Regierungsführung und demokratische Strukturen sind unabdingbar für die Förderung von Gerechtigkeit und Stabilität.
  • Interkultureller Respekt und Verständnis: Kulturelle Vielfalt muss anerkannt und respektiert werden. Der Aufbau von Verständnis und Respekt zwischen verschiedenen Gemeinschaften ist ein wesentlicher Bestandteil globaler Gerechtigkeit.

3. Rolle der Zivilgesellschaft

Die Zivilgesellschaft spielt eine zentrale Rolle bei der Förderung globaler Gerechtigkeit und Partnerschaften. Sie setzt sich für soziale Gerechtigkeit, Menschenrechte und den Schutz der Umwelt ein und ist oft die treibende Kraft hinter gesellschaftlichen Veränderungen. Organisationen und Initiativen der Zivilgesellschaft bieten Räume für interkulturellen Austausch und Dialog, fördern Demokratie und Transparenz und entwickeln innovative Lösungen für globale Herausforderungen.

Das BEI unterstützt die Zivilgesellschaft durch die Schaffung von Netzwerken, die Bereitstellung von Ressourcen und den Austausch von Wissen und Erfahrungen. Die Förderung und Stärkung der Zivilgesellschaft, sowohl lokal als auch global, ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Vision von globaler Gerechtigkeit und nachhaltiger Entwicklung.

4. Forderungen an die schleswig-holsteinische Landesregierung

  1. Verankerung der entwicklungspolitischen Leitlinien: Die Landesregierung wird aufgefordert, die erarbeiteten entwicklungspolitischen Leitlinien zu aktualisieren und sie in die Verfassung von Schleswig-Holstein aufzunehmen.
  2. Integration von globaler Gerechtigkeit in landespolitische Entscheidungen: Alle landespolitischen Gesetze, Programme und Maßnahmen sollten sich an den Prinzipien der globalen Gerechtigkeit orientieren. Dazu gehören Verteilungsgerechtigkeit, Chancengleichheit, der Schutz der Menschenrechte, Umweltgerechtigkeit, politische Partizipation und interkultureller Respekt.
  3. Stärkung der Zivilgesellschaft: Die Landesregierung soll weiterhin aktiv zur Stärkung der Zivilgesellschaft in Schleswig-Holstein beitragen. Dies beinhaltet die Schaffung von Netzwerken, die Bereitstellung von Ressourcen und die Förderung des Austauschs zwischen zivilgesellschaftlichen Organisationen und Initiativen.
  4. Förderung von Nord-Süd-Partnerschaften: Die bereits geförderten Partnerschaften mit Kommunen, Organisationen und Unternehmen im globalen Süden sollen gestärkt und auf Basis der entwicklungspolitischen Leitlinien weiter ausgebaut werden.
  5. Realistische Darstellung von Entwicklungsländern: Die Landespolitik sollte weiterhin aktiv gegen stereotype und emotional geprägte Darstellungen von Entwicklungsländern vorgehen. Eine respektvolle und realistische Darstellung der Vielfalt und Eigenart dieser Länder sollten in der politischen Kommunikation gefördert werden.
  6. Aktive Vertretung auf Bundesebene und in Ländergremien: Schleswig-Holstein soll sich im Bundesrat sowie in Gremien der Länderebene aktiv für die Umsetzung der entwicklungspolitischen Leitlinien einsetzen und gemeinsam mit anderen Bundesländern an der Weiterentwicklung und Verwirklichung entwicklungspolitischer Maßnahmen arbeiten.
  7. Schutz von Menschenrechtsverteidigern: Schleswig-Holstein soll ein Landesprogramm zur Unterstützung und Aufnahme von verfolgten Menschenrechtsverteidigern entwickeln, die in ihrem Heimatland aufgrund ihres Engagements für Menschenrechte bedroht oder verfolgt werden. Dieses Programm würde nicht nur Schutz bieten, sondern auch den internationalen Einsatz für Demokratie, Frieden und Gerechtigkeit unterstützen und stärken.

Positionspapier Globale Partnerschaften (PDF)

Positionspapier_Globale Partnerschaften.pdf (199,3 KiB)

Positionspapier Nachhaltige Entwicklung (SDGs)

1. Hintergrund

Gemäß unserem Leitbild und der Vereinssatzung übernimmt das Bündnis Eine Welt SH e.V. (BEI) Verantwortung für eine gerechtere Welt. In diesem Rahmen nehmen wir die internationalen Entwicklungen und Vereinbarungen, die diesem Ziel Rechnung tragen ernst und prüfen, wie wir diese in unsere Vereins- und Verbandsarbeit aufnehmen können. Wir arbeiten daran, die politischen Rahmen für unsere Arbeit zu übersetzen und sie unseren Mitgliedern und den Zielgruppen unserer Bildungs- und Informationsarbeit zugänglich zu machen. Die Staatengemeinschaft hat die SDGs vereinbart und sich auf eine nachhaltige Entwicklung geeinigt. Diese Ziele sollen somit auch Eingang in die nationale Politik finden. Die SDGs gehen sogar so weit, dass sie eine konkrete Umsetzung der 17 Ziele und 169 Unterziele durch die einzelnen Staaten verlangen. Das heißt, alle politischen Instanzen in einem Staat sind angehalten die Erreichung dieser Ziele im Rahmen ihrer Arbeit voranzubringen – vor allem strukturell. Wir als Nichtregierungsorganisation haben die Aufgabe unsere gesellschaftspolitischen Entscheidungsträger*innen und Verantwortlichen immer wieder an ihre selbst gesetzte Aufgabe zu erinnern und in einem kritisch-konstruktiven Dialog zu begleiten. Wir stellen unsere Expertisen und Knowhow – der Mitglieder und der Beschäftigten - zur Verfügung und bringen uns in den Umsetzungsprozess vor allem beratend ein. Zudem vernetzen wir uns mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen, um diese Arbeit voranzubringen, wobei es die Aufgabe des BEIs ist, in diesen Diskursen die globale Dimension der SDG-Umsetzung in Schleswig-Holstein im Blick zu behalten! Das erfolgt im Rahmen unserer Arbeit im Netzwerk Nachhaltigkeit Schleswig-Holstein und dasselbe gilt bei der Netzwerkarbeit mit staatlichen Akteur*innen auf den verschiedenen Ebenen.

Das BEI orientiert sich bei seiner Arbeit zu den SDGs an den Ergebnissen und Diskursen der national etablierten Think Tanks und Verbänden wie der Arbeitsgemeinschaft der Eine Welt Landesnetzwerke e.V. (agl), dem Sustainable Development Solution Network, VENRO, Forum Umwelt und Entwicklung e.V., Global Policy Forum Deutschland und dem German Institut of Development and Sustainability.

Wir setzen uns kritisch mit den SDGs auseinander und sind uns der komplexen Wechselwirkungen bewusst. Besonders beschäftigen uns die Herausforderungen des Eurozentrismus und der historischen Marginalisierung von Wissen aus dem Globalen Süden. Wir erkennen die Bedeutung postkolonialer Perspektiven an und setzen uns mit diesen Themen sowie neoliberaler kapitalistischer Ausbeutung und antikolonialen Bewegungen auseinander. Diese kritische Reflexion bereichert unsere Arbeit im SDG-Kontext, vertieft unsere Diskussionen und trägt zur Förderung produktiver Lösungen bei.

2. Handlungsfelder in SH – Das BEI und die SDG-Umsetzung

Das Bündnis Eine Welt SH e.V. macht auf verschiedenen Ebenen Bildungs- und Informationsarbeit zu den SDGs. Wir orientieren uns dabei an den wissenschaftlichen und politischen Fakten, denn die SDGs/Agenda2030 sind ein politisches Papier, das die Staatengemeinschaft gemeinsam und einstimmig beschlossen hat. Im Rahmen unserer Arbeit übersetzen wir die SDGs in verschiedene Lebenswelten und Kontexte und orientieren uns an den entwicklungspolitischen Leitlinien des Landes. Unsere Advocacy-Arbeit in diesem Bereich ist geprägt von der Forderung, dass die staatlichen Institutionen die SDGs umsetzen müssen! Da die SDGs unterschiedliche Dimensionen haben (lokal, national und global) fokussieren wir uns auf die globale Dimension mit ihren Spillover-Effekten . Diese verknüpfen wir mit den Fachthemen, die bei uns im entwicklungspolitischen Dachverband verankert sind (globale Partnerschaften, Bildung für nachhaltige Entwicklung/Globales Lernen, zukunftsfähiges Wirtschaften und nachhaltige Entwicklung). Besondere Relevanz obliegt SDG 8 (menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum), denn die Bedeutung von wirtschaftlichem Wachstum muss immer in Abhängigkeit zur Region und im Kontext planetarer Grenzen gesehen und darf nicht als grenzenlos angesehen werden. Wir stellen bei unserer Arbeit in den Mittelpunkt: Was können wir hier bei uns im Land machen, um globale Zusammenhänge aufzuzeigen und diese positiv im Sinne der SDGs zu beeinflussen?

3. Forderung

Wir fordern, dass die SDGs in Schleswig-Holstein auf allen Ebenen umgesetzt werden müssen und dabei die globale Ebene mit in den Blick genommen wird. Hier zeichnet sich die “globale Verantwortung” des Landes ab, die auch im Nachhaltigkeitsbericht des Landes Schleswig-Holstein aufgeführt wird. Zudem setzen wir uns dafür ein, dass diese “globale Verantwortung” (Handlungsfeld 8 im Nachhaltigkeitsbericht SH) als Querschnittsthema in allen Handlungsfeldern des Landes Einzug findet und nicht mehr nur als “Sondervorhaben” bei der SDG-Umsetzung gesehen wird.

Wir fordern, dass der Nachhaltigkeitsbericht des Landes in einem kürzeren Turnus (derzeit alle 5 Jahre) aktualisiert wird und ebenso seine Indikatoren auf Sinn- und Zweckmäßigkeit geprüft werden. Außerdem schlagen wir die Ergänzung von Indikatoren vor (z.B. zum Anteil der nachhaltigen Beschaffung des Landes) um die Tätigkeitsfelder des Landes auch wirklich im Nachhaltigkeitsbericht zu erfassen.

Wir fordern, dass der Nachhaltigkeitscheck nicht nur obligatorisch ausgefüllt wird. Er muss konsequent in die parlamentarische Arbeit eingebettet sein und einem umfassenden Controlling unterzogen werden.

SDGs und Landwirtschaft

1. Rahmen

Im Agrarland Schleswig-Holstein ist die Landwirtschaft ein wichtiger Wirtschaftszweig und prägt maßgeblich unsere Kultur und Identität. Der Landwirtschaftssektor steht vor großen Herausforderungen, wie der Klimakrise, zunehmender Landnahme durch Großkonzerne, der Abwanderung ins Ausland, steigende Zahlen fehlernährter Menschen, Abhängigkeiten vom Markt und einer schwindenden Agrobiodiversität. Die Transformation der Landwirtschaft ist bereits im Bewusstsein vieler Landwirt*innen und landwirtschaftlichen Interessensvertretungen angekommen. Hinzu kommen Ernährungsgewohnheiten, die von lokalen Produktionen entkoppelt sind und dadurch häufig nicht zu einer Stärkung eines regionalen Anbaus führt, sondern die Abhängigkeit von globalen Produktionsprozessen stärkt.

2023 betrug die Zahl der unterernährten Personen 735 Mio. weltweit, obwohl genug Lebensmittel auf der Welt angebaut werden . In Zeiten multipler Krisen belegen Länder des Globalen Nordens, wie Deutschland, nicht nur Flächen innerhalb der Landesgrenzen für die Nahrungs- und Futtermittelproduktion, sondern insgesamt 11,9 Mio. Hektar außerhalb der Landesfläche (Stand 2017) . Das sind rund 0,25 % der weltweit verfügbaren landwirtschaftlich genutzten Flächen. Weltweit nehmen diese Flächen ab, anders in tropischen Ländern . Dort nehmen die landwirtschaftlich genutzten Flächen zu, was häufig zulasten von Wäldern und aufgrund einer erhöhten Fleischproduktion geschieht. 50% aller Agrarprodukte werden zurzeit in tropischen Ländern hergestellt .
Der Landwirtschafts- und Ernährungssektor spiegelt somit das Machtgefälle zwischen Ländern des Globalen Südens und Nordens wider, das es aufzubrechen gilt. Ein besonderes Augenmerk gilt Freihandelsabkommen (z.B. Mercosur), die häufig zugunsten eines monetären Profits in Ländern des Globalen Nordens verabschiedet werden und globale Gefälle und Abhängigkeiten verstärken.

2. Positionierung und Ziele

Im Diskurs um die heutige Landwirtschaft brauchen wir die Diversität. Es ist wichtig alle unterschiedlichen Formen der Landwirtschaft zwischen konventionell und ökologisch anzuerkennen. Das BEI setzt sich zur Aufgabe, in diesem Spannungsfeld zu agieren und Akteur*innen aller Produktionssysteme zur Verantwortung eines global fairen Handelns zu ziehen. Grundlage dessen ist das Konzept der Agrarökologie , dass wissenschaftlich anerkannt, Prinzipien der Ökologie, der Ernährungssouveränität, dem Menschenrecht auf Nahrung und der Ökonomie vereint . Das BEI versteht das Konzept der Agrarökologie nicht ausschließlich als eine Stärkung des Öko-Landbaus und -haltung, sondern als eine Art des Wirtschaftens, die die oben genannten Prinzipien gleichermaßen umsetzt, um eine gerechtere Welt durch landwirtschaftliche Praktiken zu erreichen. Agrarökologie ist ein ganzheitlicher Ansatz, der Landwirt*innen in Ländern des Globalen Nordens und Südens ermutigen soll, eigene – vom Markt freie – Entscheidungen zu treffen, die im Rahmen der planetaren Grenzen und schließlich in der die sozial-nachhaltige Transformation münden. Dadurch kannein Gleichgewicht zwischen Welthandel und regionaler Erzeugung gefunden werden.

Eine gute fachliche Praxis heißt eine bäuerliche und umweltschonende Anbauweise, der Erhalt einer biologischen Vielfalt, der Schutz der Rechte der Tiere, die Bewahrung des Wertes ländlicher (wie städtischer) Gemeinschaften und die Ausrichtung auf eine langfristige Versorgung der Bevölkerung in Ländern des Globalen Südens und Nordens.

3. Forderungen

Wir fordern eine Landwirtschaft im Einklang mit den SDGs. Hierzu gehört eine Forcierung der Implementierung der SDGs in die agrarpolitischen Umsetzungen der (Bundes-)Länder und der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP), sowie aller zukünftigen Strategiepläne Deutschlands. Das Land Schleswig-Holstein muss sich dafür einsetzen! Dazu gehört die Stärkung der regionalen Entscheidungsfähigkeit aller landwirtschaftlichen Akteur*innen in Ländern des Globalen Südens und Nordens, losgelöst von ausschließlicher Gewinnorientierung und einer erhöhten Planungssicherheit für Landwirt*innen. Landwirtschaft muss sich der Verantwortung zwischen der Regeneration von Ressourcen und einer nachhaltigen Intensivierung stellen. Diese Zielkonflikte werden durch eine konsequente Umsetzung eines fairen, agrarökologischen Ansatzes langfristig gesichert!

SDGs und Klima und Ozeane

1. Rahmen

Die "Triple Planetary Crisis " oder “dreifache Planetenkrise” ist eine globale und vom Menschen verursachte Bedrohung, die sich aus dem Verlust der biologischen Vielfalt, Umweltverschmutzung und der Klimakrise zusammensetzt. Sie erfordert entschlossene Maßnahmen auf lokaler und globaler Ebene. Deutschland spielt in dieser planetaren Krise eine bedeutende Rolle. Beispielweise bezieht es 86% seines Fischkonsums aus Importen, wovon mehr als die Hälfte aus Ländern des Globalen Südens stammt, die stark vom Fischfang abhängig sind . Darüber hinaus war Deutschland 2022 der größte Exporteur von Plastikmüll in der EU, und die Exporte von Plastikmüll in Nicht-OECD-Länder stiegen von 95 Millionen kg/Jahr im Jahr 2021 auf 133 Millionen kg/Jahr im Jahr 2022 . Diese Umweltverschmutzung hat erhebliche Auswirkungen auf die Tierwelt. Die Klimakrise verstärkt andere Krisen. Laut dem Internal Displacement Monitoring Center gab es allein im Jahr 2022 etwa 33 Millionen neue “binnenvertriebene Klimamigrant*innen“ – Menschen, die innerhalb ihres Landes vertrieben wurden und in ihrer Heimatregion keine Existenzgrundlage mehr finden können.

Schleswig-Holstein, mit seiner einzigartigen geografischen Lage zwischen zwei Meeren und grünem Land, trägt eine bedeutende Verantwortung und hat gleichzeitig viele Möglichkeiten zur Hand. Obwohl Schleswig-Holstein mit knapp 11% Waldanteil zu den waldärmsten Bundesländern gehört, zählt es gleichzeitig zu den moorreichen Ländern. Diese Gegebenheit stellt einerseits ein Problem dar, da ein Großteil der Moore entwässert und zerstört wurde, was die Artenvielfalt gefährdet. Andererseits bietet sie auch Lösungsansätze, da der Schutz und die Wiederherstellung dieser Moore einen Beitrag zur Bewältigung der ökologischen Herausforderungen, insbesondere im Kontext der planetaren Krisen, leisten können . Fast die Hälfte aller Tier- und Pflanzenarten in der Region gelten bereits als bedroht, Tendenz steigend. Zudem sind die Auswirkungen der Klimakrise spürbar, wie die Ostseesturmflut im Oktober 2023 deutlich machte, mit erheblichen Schäden und geschätzten Kosten von rund 200 Millionen Euro . Diese Folgen der Klimakrise betreffen die Bevölkerung in Schleswig-Holstein unmittelbar.

2. Positionierung

Der Fokus von Nachhaltigkeit konzentriert sich bisher hauptsächlich auf die Klimakrise und vernachlässigt dabei die Biodiversität, obwohl ihr Verlust wahrscheinlich die schwerwiegendere Krise darstellt. Der Klimawandel beeinflusst, wie wir leben, während der Verlust von Arten darüber entscheidet, ob wir als Menschheit überleben. Es ist wichtig, die Irreversibilität dieser Prozesse nicht nur bei uns im Globalen Norden schnell zu erkennen.

Die Position des BEIs ist klar: Biodiversität und Klimaschutz haben oberste Priorität, da sie die Lebensgrundlagen der Menschen überall auf der Welt darstellen. Dieser Schutz kann nur durch die konsequente und kohärente Umsetzung der SDGs auf allen Ebenen und darüber hinaus, gesichert werden.

3. Forderungen

Biodiversität: Um die Biodiversität zu schützen und den Anforderungen des EU-Rechts und der Biodiversitätsstrategie des Landes bis 2030 zu entsprechen, sollte die nachhaltige Wiederherstellung wertvoller Lebensräume verstärkt priorisiert und Verstöße strikter sanktioniert werden.
Wir setzen uns dafür ein, dass Schleswig-Holstein seine globale Verantwortung für Biodiversität und Klimaschutz unter Einhaltung der Planetaren Grenzen in seinem Handel wahrnimmt.

Umweltverschmutzung: Die Lösung unserer Plastikmüllprobleme erfordert lokale und nationale Maßnahmen. Am wichtigsten ist es, Plastikverpackungen zu vermeiden und erst gar nicht in die Umwelt gelangen zu lassen. “Der Verantwortungsvolle Handel mit Kunststoffabfällen hat in einer Kreislaufwirtschaft keinen Platz”, The Plastic Waste Trade Manifesto.

Fischereipolitik: Wir setzen uns für die Entwicklung einer ökologisch, sozial, transparent und wirtschaftlich nachhaltigen globale Fischereipolitik ein, die die Überfischung reduziert und den Schutz der Meeresumwelt gewährleistet.

Klimaschutz: Wir fordern das Land und Kommunen auf in SH ihre Verantwortung für den Klimaschutz und die Klimaanpassung im Sinne des SDGs wahrzunehmen, sich aktiv einzusetzen und Maßnahmen effektiv umzusetzen.

SDGs in der Kommune

1. Rahmen

In vielen gesellschaftspolitischen Bereichen ist der politische Handlungsdruck enorm – Klimaschutz und Klimaanpassungen, Inflation und Lieferketten, Migrationen durch Kriege, Konflikte und Klimawandelfolgen sowie der erstarkende Rechtsruck in unserer Gesellschaft – um nur einige zu nennen! Besonders deutlich werden diese Herausforderungen in den Kommunen und Städten. Hier findet das Leben statt und Schwierigkeiten werden meist als erstes sichtbar. Außerdem haben Kommunen und Städte in ihrem Kompetenzbereich einen großen und konkreten Gestaltungsspielraum. Wir sehen die SDGs als eine Möglichkeit diesen multiplen Krisen zu begegnen.

2. Positionierung

Eine Vielzahl von Kommunen und Städten in Schleswig-Holstein interessieren sich für die SDGs, wagen sich an Nachhaltigkeitsberichte oder gar -strategien. Wir unterstützen dieses Engagement, sehen aber zeitgleich, dass es nach langatmigen Berichts- oder Strategieerarbeitungsprozessen bei dem Papier bleibt, auf dem es erarbeitet wurde. Es fehlt oftmals an Maßnahmen, Zielsetzungen und Ressourcen für die konkrete Umsetzung - ähnlich wie beim Land. Wir sehen bei den kommunalen Spitzenverbänden in Schleswig-Holstein die Möglichkeit, die Kommunen, Städte und Kreise bei ihrer Arbeit in diesem Bereich zu unterstützen. Das darf nicht als unliebsame Mehrarbeit wahrgenommen werden – es ist die Pflicht aller staatlichen Ebenen die SDGs zu implementieren und deren Umsetzung zu konkretisieren. Bei den kommunalen Spitzenverbänden können Fäden zusammenlaufen, Erfahrungen und Expertisen gesammelt und weitergegeben werden und gemeinsame Forderungen zur SDG-Umsetzung an das Land gestellt werden. Für den Erhalt der Lebensqualität - im Sinne der neuen Leipzig Charta - muss die öffentliche Daseinsvorsorge und die Verringerung und Vermeidung von Ungleichheit in sozialen, wirtschaftlichen, ökologischen und räumlichen Belangen gewährleistet werden. Soziales und Nachhaltigkeit schließen sich nicht aus und müssen zusammen gedacht werden. Genau das ist der Ansatz der SDGs, sodass sich ihre Umsetzung in den Kernaufgaben der Kommunen wiederfindet.

3. Forderungen

Wir fordern die Städte und Kommunen auf, die Punkte zu Umsetzung, Monitoring und Controlling bei ihrer SDG-Arbeit mitzudenken und sehen bei den kommunalen Spitzenverbänden in Schleswig-Holstein die Möglichkeit, die Kommunen, Städte und Kreise bei ihrer Arbeit in diesem Bereich zu unterstützen.
Wir fordern, dass das Land Schleswig-Holstein Leitplanken schafft, um die Umsetzung der SDG auf der kommunalen Ebene voranzutreiben, sodass die Kommunen dieser Aufgabe nachgehen können, denn „Nachhaltige Entwicklung entscheidet sich in den Städten", so Markus Lewe, Präsident des Deutschen Städtetages.

Positionspapier Nachhaltige Entwicklung/SGDs (PDF)

SDG_Positionspapier.pdf (203,0 KiB)

Positionspapier Zukunftsfähiges Wirtschaften

1. Hintergrund

Planetare Grenzen

Jedes Jahr verbraucht die Menschheit in weniger als acht Monaten die Ressourcen, die alle Ökosysteme zusammen innerhalb eines Jahres bereitstellen können. Den Rest des Jahres leben wir auf Kosten der Natur und zukünftiger Generationen. Wenn alle Menschen so viele Ressourcen verbrauchen würden wie wir in Deutschland, bräuchten wir drei Planeten.

Wissenschaftler*innen haben mit den planetaren Grenzen ein Konzept entwickelt, das die ökologischen Belastungsgrenzen der Erde aufzeigt. Sechs der neun planetaren Grenzen sind schon heute überschritten, was die Stabilität der Ökosysteme und die Lebensgrundlagen der Menschheit gefährdet.

Soziale Ungleichheit

Schon heute erleben Menschen - vor allem im Globalen Süden - die negativen Auswirkungen unseres Wirtschaftens. So ist die Klimakrise für viele eine akute, existenzielle Bedrohung, auch wenn sie oft selbst wenig dazu beigetragen haben. Gleichzeitig werden insbesondere am Anfang von internationalen Lieferketten oft grundlegende Menschenrechte verletzt: Ausbeuterische Kinderarbeit, gefährliche und schlechte Arbeitsbedingungen im Rohstoffabbau und der Produktion, Vertreibungen aufgrund von Soja- oder Palmölanbau sind Beispiele dafür, dass Sozial- und Umweltstandards im globalen Wettbewerb zu wenig Beachtung finden. Die Macht in (globalen) Lieferketten und die Teilhabe an der Wertschöpfung ist oftmals sehr ungleich verteilt.

Auch wenn es in den letzten Jahrzehnten Erfolge im Kampf gegen Hunger und extreme Armut gegeben hat, so hat sich die globale Ungleichheit weltweit vergrößert. Der Zugang zu Bildungs- und Gesundheitssystemen, Wasser und Sanitäreinrichtungen sowie Nahrungsmitteln ist für große Teile der Menschheit nach wie vor unzureichend.

Weltweite Krisen und Gefahr für Demokratie und gesellschaftlichen Zusammenhalt

Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie krisenanfällig globale Lieferketten sind. Wie auch in den vergangenen Finanzmarkt- und der anhaltenden Klimakrise waren aber nicht alle Menschen gleichermaßen von den negativen Auswirkungen betroffen. Überproportional verloren Menschen des Globalen Südens sowie Frauen und junge Menschen des Globalen Nordens ihr Einkommen. Vor allem im informellen Sektor Tätige und Wanderarbeiter*innen waren während den Lockdowns extremen Armuts- und Gesundheitsrisiken ausgesetzt.

Wachsende Ungleichheit und Unsicherheiten lassen in vielen Ländern Populismus und einen Rechtsruck mit negativen Auswirkungen auf demokratische Systeme verzeichnen.5 Abstiegsängste und das Gefühl der politischen Ohnmacht angesichts der engen Verknüpfung von wirtschaftlicher und politischer Macht sind Sprengstoff für den sozialen Zusammenhalt. Nationaler Egoismus und Abschottung sind aber keine adäquaten Antworten auf die drängenden globalen Herausforderungen unserer Zeit. 

Es besteht dringender politischer Handlungsbedarf. Die Politik muss Gestaltungsvorschläge für die globalisierte Weltwirtschaft und die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts machen. Das BEI setzt sich als Dachverband entwicklungspolitischer Gruppen in Schleswig-Holstein für eine sozial-ökologische Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft ein. Damit dieser wirtschaftliche Wandel gelingt, leistet das BEI Informations- und Bildungsarbeit, initiiert und moderiert Steakholderprozesse in spezifischen Themenfeldern, macht auf die globalen Verflechtungen unserer Wirtschaft, die Auswirkungen unseres Konsums, unserer Produktion und unserer Außenhandelstätigkeit aufmerksam und sensibilisiert die Gesellschaft für Handlungsalternativen.

2. Positionierung

Wirtschaft und Handel sollten dazu beitragen, die Grundbedürfnisse aller Menschen weltweit heute und in Zukunft zu erfüllen und ein gutes Leben für alle zu ermöglichen. Die natürlichen Lebensgrundlagen auf unserem Planeten müssen dabei erhalten bleiben. Um die sozial-ökologische Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft voranzubringen, bieten die Sustainable Development Goals (SDGs), zu deren Erreichen sich 193 Staaten 2015 verpflichtet haben, eine gute Orientierung. 

Die 17 Einzelziele mit 169 Unterzielen stehen dabei untereinander in einem Spannungsverhältnis und sollten stets im Gesamtkontext gesehen werden. Dies gilt insbesondere für das SDG 8: das nachhaltige Wirtschaftswachstum. Gerade die Fixierung auf Wirtschaftswachstum hat in den letzten Jahrzehnten zu den oben skizzierten Herausforderungen geführt. Wir brauchen heute aussagekräftigere, komplexere Orientierungsgrößen, die das Wohlbefinden aller Menschen, die Interessen zukünftiger Generationen und den Erhalt der Umwelt gleichermaßen unter Einhaltung der planetaren Grenzen in den Blick nehmen. Dies ermöglicht z. B. das Modell der Donut-Ökonomie von Kate Raworth.

Für uns beinhaltet zukunftsfähiges Wirtschaften neben Klima- und Ressourcenschutz auch die Orientierung an den universellen Menschenrechten. Fairen Handel, Suffizienz und Gemeinwohlorientierung, Chancen- und Generationengerechtigkeit, Gleichberechtigung, Demokratie und Teilhabe stellen wir dem alleinigen Streben nach Wirtschaftswachstum entgegen.

3. Ziele

Unternehmen können mit ihrer Geschäftstätigkeit einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung der SDGs leisten. Durch nachhaltigen Konsum kann auch jede*r Einzelne zu einer Neuausrichtung der Wirtschaft beitragen. Wir alle tragen Verantwortung. Aber der Handlungsspielraum von Konsument*innen und die Möglichkeiten von Unternehmen sind begrenzt. Die Politik muss geeignete Regeln und Anreize für zukunftsfähiges Wirtschaften setzen, weshalb wir uns auf allen politischen Ebenen für Instrumente zur Förderung der sozial-ökologischen Transformation einsetzen. Als entwicklungspolitischer Dachverband in Schleswig-Holstein gilt der Landespolitik dabei unsere besondere Aufmerksamkeit. 

Grundsätzlich setzen wir uns ein für:

  • die Förderung der Gemeinwohlorientierung in der Wirtschaft,         
  • Menschen- und Arbeitnehmer*innenrechte in (globalen) Lieferketten,         
  • eine ressourcenschonende, klimafreundliche Wirtschaftsweise,         
  • fairen, partnerschaftlichen Welthandel und die Stärkung von fairen, regionalen Wertschöpfungsketten,   
  • eine gerechte, faire Steuerpolitik und nachhaltige soziale Sicherungssysteme weltweit,  
  • eine kritische Auseinandersetzung mit dem Wachstumsparadigma,
  • eine Begrenzung von Marktmacht und politischen Einflussmöglichkeiten von großen Konzernen        
  • die Stärkung eines nachhaltigen Konsums und Unternehmensverantwortung.

Unsere Kernanliegen, die wir in Folge weiter ausführen, sind:

  1. eine nachhaltige, global verantwortliche öffentliche Beschaffung,
  2. die Stärkung von menschenrechtlicher Sorgfalt in Unternehmen,
  3. faire, nachhaltige Kommunen und nachhaltiger Tourismus in globaler Verantwortung,
  4. nachhaltige öffentliche und private Finanzanlagen,
  5. eine nachhaltige Landwirtschaft entlang der Richtlinien der Agrarökologie.

Forderungen im Detail

1. Öffentliche Beschaffung an sozialen und ökologischen Kriterien ausrichten!
Aufgrund ihres großen Auftragsvolumens haben Bund, Länder und Gemeinden eine Nachfragemacht und können Signalwirkungen am Markt entfalten, wenn sie ihren Einkauf an sozialen und ökologischen Kriterien knüpfen. Seit der letzten Vergaberechtsreform auf europäischer und Bundesebene ist dies deutlich einfacher. Nachhaltigkeit ist Vergabegrundsatz! Als Beleg für die Einhaltung sozialer und ökologischer Kriterien kann die Vorlage von Gütezeichen verlangt werden. In Schleswig-Holstein können (müssen aber nicht) Nachhaltigkeitsaspekte in der Definition der Leistung, in Eignungs- und Zuschlagskriterien und in den Ausführungsbedingungen integriert werden. Leider sind wir weit davon entfernt, dass bei jeder öffentlichen Ausschreibung ILO-Kernarbeitsnormen oder Kriterien des fairen Handels berücksichtigt werden.

Grundsätzlich setzen wir uns ein für:

  • Verbindliche Vorgaben für Land und Kommunen für eine nachhaltige Beschaffung!
  • Ambitionierte Ziele, ein Monitoring und transparente Berichterstattung zu nachhaltiger Beschaffung.
  • Soziale und ökologische Aspekte der Nachhaltigkeit müssen im Sinne der SDGs im Kontext globaler Gerechtigkeit zusammen gedacht werden. Soziale Nachhaltigkeit darf nicht auf Aspekte des hiesigen Mindestlohns und der Tariftreue reduziert werden, sondern muss auch Arbeits- und Menschenrechte in den globalen Wertschöpfungsketten umfassen. 
  • Die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen muss wieder verbindlich im Vergabegesetz vorgeschrieben werden. Sofern vorhanden muss die Einhaltung insbesondere bei sensiblen Produktgruppen wie Textilien, Leder, Holz, Naturkautschuk, Agrarprodukte, Sportartikel und Spielzeug, Natursteine und IT durch glaubwürdige Nachweise belegt werden.
  • In der Beschaffungspraxis müssen neben der Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen auch die Zahlung von angemessenen Löhnen eingefordert werden.. Im Falle von fair gehandelten Produkten müssen Kriterien des Fairen Handel, wie die Europäische Kommission sie beschreibt, zu Grunde gelegt werden.
  • Ein besonderes Anliegen ist uns eine flächendeckende nachhaltige Gemeinschaftsverpflegung in Kantinen, Mensen, Bildungs- und sozialen Einrichtungen. Dazu gehören die Umstellung auf 100% Bio-Produkte, die Bevorzugung von fair gehandelten und regional-saisonalen Produkten, die Verwendung von weniger Fleisch und nachhaltigem Fisch, Abfallvermeidung und Energiesparen.
  • Die Zentralisierung der öffentlichen Beschaffung vereinfacht die flächendeckende Anwendung sozial-ökologischer Kriterien und erleichtert Pilotausschreibungen und Bieter-Dialoge, mit denen gemeinsam mit Unternehmen nach neuen, nachhaltigeren Wegen der Beschaffung gesucht werden kann. Eine besondere Rolle kommt hier der GMSH (Gebäudemanagement Schleswig-Holstein) sowie Dataport zu, die für das Land und teilweise für Kommunen Ausschreibungen managen.
  • Ausgeweitet werden sollten Unterstützungsangebote für kommunale Beschaffer*innen (Fortbildungen, Leitfäden, Beratung...), z. B. des Kompetenzzentrums für Nachhaltige Beschaffung und Vergabe (KNBV) in Schleswig-Holstein.
  • Eine besondere Herausforderung insbesondere für kommunale Beschaffer*innen ist es, die Einhaltung von sozialen Kriterien in globalen Lieferketten zu kontrollieren. Hier sollte das Land Möglichkeiten für stichprobenhafte Überprüfungen schaffen.  

2. Menschenrechtliche Sorgfalt in Unternehmen befördern
Die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte definieren die unternehmerische Verantwortung zur Achtung der Menschenrechte, wobei die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht zentraler Bestandteil ist. Diese bezieht sich auf alle menschenrechtlichen Auswirkungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette.

Auf internationaler Ebene entstehen verbindliche Regeln für menschenrechtliche Sorgfaltspflichten von Unternehmen. Auf UN-Ebene wird das Binding Treaty on Business and Human Rights Abkommen verhandelt, und die Europäische Union hat im Mai 2024 die Corporate Sustainability Due Diligence Directive verabschiedet, das zum Teil über das deutsche Lieferkettengesetz hinaus geht, zum Teil aber auch die gleichen Lücken aufzeigt - die fehlende Einbindung von Klimaschutzmaßnahmen und dem Finanzsektor. Die Umsetzung des neuen EU-Rechtsrahmens in das deutsche Recht wollen wir konstruktiv begleiten.
Neue Berichtspflichten für Unternehmen die sich aus dieser sowie anderen Gesetzgebungen auf nationaler und EU-Ebene entwickeln, stellen für Unternehmen eine Herausforderung dar.

Grundsätzlich setzen wir uns ein für:

  • Das Land solle die überwiegend klein- und mittelständisch geprägte schleswig-holsteinische Wirtschaft dabei unterstützen, diese neuen Anforderungen umzusetzen, und tiefgreifende Veränderungen in Prozess- und Organisationsstrukturen der Unternehmen mit entsprechenden Fördermitteln unterstützen. 
  • Grundsätzlich sollen ökologische und menschenrechtliche Prüfkriterien für die Wirtschafts- und Außenwirtschaftsförderung gelten. Für Kredite der Investitionsbank Schleswig-Holstein (IBSH) sowie Bürgschaften der Bürgschaftsbank soll die Wahrnehmung der menschenrechtlichen Sorgfalt Voraussetzung sein und die Vereinbarkeit mit den Klimazielen und den SDGs überprüft werden. 

3. Faire, nachhaltige Kommunen und nachhaltiger Tourismus in globaler Verantwortung
Immer mehr Städte, Gemeinden und Landkreise in Schleswig-Holstein nehmen Fairen Handel und die SDGs in den Blick und werden als Fairtrade-Kommune oder global nachhaltige Kommune aktiv. Sie engagieren sich mit unterschiedlichen lokalen Akteur*innen im Rahmen von öffentlichen Aktionen und Bildung für nachhaltige Entwicklung und holen zunehmend auch die eigene Beschaffung sowie das Stadt- und Tourismusmarketing mit an Bord. Das BEI unterstützt diese Entwicklung und begrüßt auch die neue Tourismusstrategie des Landes, die Nachhaltigkeit nun als übergeordnete Leitmaxime definiert und auf einen nachhaltigen und verantwortungsbewussten Qualitätstourismus abzielt.

Im nachhaltigen Inlandstourismus stand bislang Energie- und Ressourceneffizienz, nachhaltige Mobilität, naturnahe und umweltverträgliche Aktivitäten, nachhaltige Beschäftigungspolitik und/oder Verwendung von regionalen Produkten im Fokus. Globale Aspekte spielten kaum eine Rolle. Dabei ist auch die Tourismusbranche durch globale Lieferketten mit der Welt verflochten. Ob Kaffee, Kakao oder Baumwolle – es gibt viele Produkte in Hotellerie, Gastronomie und Tourismusmarketing, die einen weiten Weg zu uns haben.

Gemeinsam mit Unternehmensverbänden und bestehenden Strukturen im Tourismusmanagement wollen wir für nachhaltigen Tourismus in globaler Verantwortung bei uns in Schleswig-Holstein werben und Wege für eine nachhaltige Beschaffung aufzeigen, die eine gelungene Kombination aus Regionalität, Fairness und ökologische Nachhaltigkeit darstellt.

Grundsätzlich setzen wir uns ein für:

  • im Umsetzungsmanagement der Tourismusstrategie die bestehenden Erfahrungen und guten Ansätze unter anderem in vielen Fairtrade-Towns aufzugreifen, zu unterstützen und zu verbreiten.
  • im Tourismusmarketing die besonders nachhaltigen Angebote (sowohl für Individual- als auch Geschäftsreisende) besonders zu bewerben und so engagierte Unternehmen zu belohnen.
  • Greenwashing entgegenzutreten und zu einer besseren Orientierung im nachhaltigen Reisen beizutragen, z. B. durch die Unterstützung von ambitionierten, zuverlässigen Zertifizierungen, und bei der Beschaffung von Merchandise-Produkten und Arbeitskleidung auf Nachhaltigkeit und Fairen Handel zu achten.
  • Erfahrungen und Ansätze aus dem Auslandstourismus wie comunity-based, pro-poor oder fair (trade) tourism für die Diskussion über die Weiterentwicklung des Tourismus in Schleswig-Holstein zu berücksichtigen.
    In der konsequenten Einbeziehung von (globaler) Nachhaltigkeit im Schleswig-Holstein-Tourismus sehen wir ein großes Potential und eine gute Grundlage, um mit Fairem Handeln und Nachhaltigkeit Einheimische und Tourist*innen im Reiseland Schleswig-Holstein für die notwendige Transformation zu gewinnen.

4. Nachhaltige Finanzen des Landes 
Das BEI begrüßt, dass das Land Schleswig-Holstein seine Finanzanlagen nachhaltig ausrichten möchte. Die im Gesetz zur „Finanzanlagestrategie Nachhaltigkeit in Schleswig-Holstein“ vorgeschlagenen Ausschlusskriterien und die Ausrichtung an sogenannten ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance) ist gelungen. Darüber hinaus befürwortet das BEI den Best-In-Class Ansatz , die Ausrichtung von Kapitalanlagen an nachhaltigen Kriterien zu ermöglichen und so globale Finanzströme mit Investitionen in Unternehmen, die zur Bewältigung der globalen Herausforderungen für Gesellschaft, Umwelt und Wirtschaft beitragen, zu lenken. Dies ist auch das Ziel der EU-Taxonomie, jedoch müssen hier die Konzipierung der Kategorien iterativ weiterentwickelt werden sowie die Umsetzung der Taxonomie und ihr Effekt – insbesonders angesichts der fehlenden Verpflichtung des Finanzsektors auch dementsprechend zu investieren – langfristig mitverfolgt und eventuell angepasst werden.

Grundsätzlich setzen wir uns ein für:

  • einen iterativen Prozess der Weiterentwicklung der ESG Kriterien sowie die verbindliche Anwendung der ESG Kriterien bei allen finanziellen Entscheidungen
  • die Aufstellung eines SDG-konformen Landeshaushaltes. Dabei werden die einzelnen Haushaltstitel den globalen Entwicklungszielen zugeordnet werden, so dass mehr Transparenz über öffentliche Mittel und ihren Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung hergestellt und die politische Diskussion über den Beitrag des Landes Schleswig-Holstein zur Erreichung der SDGs befruchtet wird. 
  • faire Steuerbeiträge für eine gerechte Gesellschaft, in der alle gleichberechtigt Zugang zu Dienstleistungen und Gütern der Daseinsvorsorge haben. Einkommen aus Kapital und Arbeit sowie der Finanzmarkt müssen gleichermaßen besteuert werden. Auch über die Steuerpolitik sollen Anreize für eine gemeinwohlorientierte Wirtschaft gesetzt und Unternehmen motiviert werden, nachhaltigere Produkte anzubieten und eine verantwortungsvolle Unternehmensführung zu etablieren. 

5. Nachhaltige Landwirtschaft entlang agrarökologischer Richtlinien
Der Landwirtschaftssektor steht vor großen Herausforderungen: Klimakrise, zunehmende Landnahme durch Großkonzerne, Abwanderung ins Ausland, steigende Zahlen fehl- und unterernährte Menschen, Abhängigkeiten vom Markt und die schwindende Agrobiodiversität. Der Sektor spiegelt zudem das Machtgefälle zwischen Ländern des Globalen Südens und Nordens wider. Im Agrarland Schleswig-Holstein ist die Landwirtschaft ein wichtiger Wirtschaftszweig, der maßgeblich Kultur und Identität prägt. In der Landwirtschaft brauchen wir die Diversität. Es ist wichtig alle unterschiedlichen Formen der Landwirtschaft zwischen konventionell und ökologisch anzuerkennen. Das BEI setzt sich zur Aufgabe, in diesem Spannungsfeld zu agieren und Akteur*innen aller Produktionssysteme zur Verantwortung eines global fairen Handelns zu ziehen. Grundlage dessen ist das Konzept der Agrarökologie , das wissenschaftlich anerkannt, Prinzipien der Ökologie, der Ernährungssouveränität, dem Menschenrecht auf Nahrung und der Ökonomie vereint.7 Durch das Konzept der Agrarökologie wird eine Art des Wirtschaftens forciert, die zu einer gerechteren Welt führt.

Um zukunftsfähiges Wirtschaften in der Landwirtschaft zu ermöglichen, braucht es Handelsabkommen, die nicht zugunsten eines monetären Profits der wirtschaftlich Mächtigen geht.

Grundsätzlich setzen wir uns dafür ein, dass:

  • das Land im Bundesrat keinen internationalen Handelsverträgen zustimmt, die Entwicklung, demokratische Rechte oder Sozial- und Umweltstandards gefährden. Nur wenn selbstbestimmte Entwicklungspfade der Partnerländer dadurch nicht behindert werden, keine Investor-Staat-Schiedsgerichte vorgesehen sind und die Umwelt sowie Menschen- und Arbeitsrechte wirksam geschützt, demokratische Standards eingehalten und anspruchsvolle nationale Regelungen nicht unterlaufen werden, sollte das Land ihnen zustimmen. 

Positionspapier Zukunftsfähiges Wirtschaften (PDF)

Zukunftsfähiges Wirtschaften Positionspapier.pdf (244,5 KiB)