Nachhaltige Beschaffung
Globale Verantwortung in der Verwaltung fängt mit dem eigenen Einkauf an
Neben dem privaten Konsum eines jeden Einzelnen, sind auch und vor allen Dingen öffentliche Einrichtungen mit ihrer großen Marktmacht aufgefordert, mit dem eigenen Einkaufsverhalten praktische Entwicklungspolitik zu betreiben. Öffentliche Einrichtungen können mit der „Beschaffung“ von Waren ein deutliches Zeichen zur Einhaltung sozialer Standards setzen. In Deutschland wird etwa jeder sechste Euro von der öffentlichen Hand ausgegeben. Das sind bei Bund, Ländern und Kommunen jährlich rund 360 Mrd. Euro - ungefähr die Hälfte davon entfällt auf die Kommunen. Das Einkaufsvolumen der christlichen Kirchen beträgt etwa 60 Mrd. Euro.
Die Produktpalette öffentlicher Beschaffungen reicht von Materialien für Bau und die Erhaltung öffentlicher Gebäude und Infrastruktur über Dienstkleidung und Büromaterialien bis hin zu Produkten des täglichen Bedarfs, wie Kaffee oder Tee.
Würden Aufträge nur noch nach sozialen und ökologischen Kriterien vergeben, könnten sie einen gewaltigen Schub für Nachhaltigkeit und Menschenrechte weltweit auslösen. Zwar ist Wirtschaftlichkeit oberstes Gebot bei der öffentlichen Beschaffung, doch den Preis für billigen Einkauf zahlen in der Regel andere. Internationale Studien belegen, dass beispielsweise bei der Herstellung von Dienstkleidung, dem Abbau von Natursteinen und bei der Kaffeeproduktion häufig gegen Arbeits- und Menschenrechte verstoßen wird.
Rechtliche Rahmenbedingungen
Die gesetzlichen Möglichkeiten für die Berücksichtigung sozialer und Umweltkriterien haben sich seit Jahren radikal gewandelt: Während vor Jahrzehnten noch Kritiker bemängelt, dass diese „vergabefremden“ Kriterien aus dem Beschaffungswesen herausgehalten werden sollten, ist dies seit der Reform der Vergaberechts 2009 und im Jahr 2016 obsolet geworden.
Im Frühjahr 2016 wurden EU-Richtlinien durch die Reform des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und der dazugehörigen Verordnungen in deutsches Recht umgesetzt. Mit Bundesländern wurde zudem die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) erarbeitet und im Februar 2017 veröffentlicht. Wichtigste Neuerung in diesen Bestimmungen ist, dass Nachhaltigkeit als Vergabegrundsatz verankert wurde (GWB, § 97, Abs. 3). Soziale und ökologische Aspekte sind dabei als gleichrangige Dimensionen der Nachhaltigkeit in der öffentlichen Beschaffung zu berücksichtigen. Auch wurde klargestellt, dass immaterielle Produkteigenschaften Merkmale des Auftragsgegenstandes sind (VgV, § 31, 3). Arbeitsbedingungen, Umweltschutzvorkehrungen bei der Herstellung oder entlang der gesamten Lieferkette sind jeweils Teil des Produktes, welches eingekauft werden soll.
Mit der jüngsten Vergaberechtsreform wurde auch klargestellt, dass der öffentliche Auftraggeber als Beleg für die Beachtung der geforderten Merkmale die Vorlage von Gütezeichen verlangen kann. Dies vereinfacht Beschaffungsverantwortlichen die Kontrolle der Erfüllung der geforderten Kriterien und animiert Unternehmen, die Einhaltung von Standards unabhängig kontrollieren zu lassen.
Global Nachhaltige Beschaffung in Schleswig-Holstein
In mehreren Bundesländern wurden und werden diese Standards in Vergabegesetze bereits aufgenommen, in Schleswig-Holstein geschah dies bereits 2013 durch das Tariftreue- und Vergabegesetz. 2019 wurde dieses durch ein neues Vergabegesetz Schleswig-Holstein ersetzt. Das neue Gesetz nutzt allerdings nicht die neuen rechtlichen Möglichkeiten, um für Land und Kommunen verbindliche Standards festzulegen, sondern verweist lediglich darauf, dass soziale und ökologische Kriterien bei Beschaffungen berücksichtigt werden können - nicht müssen.
Jede Beschaffungsstelle im Land ist selbst aufgefordert, Nachhaltigkeitsaspekte zu berücksichtigen. Einige Kommunen gingen bereits vor den Reformen der Gesetzeslage eigene Wege und mit gutem Beispiel voran: In Norderstedt wird seit 2009 eine fortschrittliche Beschaffungsordnung umgesetzt, und auch im Kreis Stormarn wurde solch eine Ordnung mit den Beschaffungsverantwortlichen vor Ort entwickelt . In mehreren Städten gibt es zudem Beschlüsse der Stadtvertreter, keine Waren zu beschaffen, die unter ausbeuterischer Kinderarbeit hergestellt wurden, u.a. in Kiel und Lübeck.
Das BEI ist Ansprechpartner für Kommunen zu Fragen der nachhaltigen Beschaffung, begleitet entsprechende Prozesse kritisch und unterstützt Gruppen, sich stärker diesem Thema zu widmen und Expertise aufzubauen. Wir setzen uns auf Landesebene für eine Gesetzgebung ein, die die Berücksichtigung von Sozial- und Umweltstandards in der öffentlichen Beschaffung erleichtert. Durch die Organisation von Seminaren und Veranstaltungen vernetzen wir Zivilgesellschaft, Verbände und Kommunen und tragen somit auf Landesebene zu einer Umsetzung der nachhaltigen Beschaffung bei.